11. Zuger Stipendium an Eveline Passet

Eveline Passet Foto © Helge Mundt

Zuger Stipendium an Eveline Passet

(Dies ist die vollständige Laudatio von Sebastian Guggolz auf Eveline Passet, die in Heft 1/2018 in Auszügen veröffentlicht wurde.)

Lesen und lesen lassen

Laudatio auf Eveline Passet, Zuger Übersetzer-Stipendium 2017,
Zug, 11. Juni 2017

Meine erste Begegnung mit Eveline Passet fand über die Lektüre statt. Ich war angestellter Lektor in Berlin, mein Studium lag noch nicht so lange zurück, und plötzlich landete ein übersetzter Text auf meinem Schreibtisch: Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens von Wassili Golowanow. Übersetzt aus dem Russischen von Eveline Passet. Ich bekam ihn zum zweiten Lektorat, ein Durchgang war bereits gemacht worden, und ich brauchte nicht lange zu lesen, schnell war ich hingerissen, mitgerissen. Zum einen von dem außergewöhnlichen Text, der nie richtig zu greifen ist, der zwischen Seelenerzählung, Reisebericht, historischer Reportage und mythischer Reflexion changiert. Zum anderen aber mindestens ebenso von der Sprache. Von den unglaublich sanften, schönen Naturbeschreibungen, von den präzisen, schlüssigen Gedankenfolgen und Überlegungen und von der Unvorhersehbarkeit und Unberechenbarkeit der Erzählung. Ich hatte Schwierigkeiten, den Text nicht einfach atemlos und ergriffen zu lesen, ich musste mich immer wieder zwingen, einzuhalten und Abschnitte ein zweites Mal zu lesen, weil ich schon wieder viel zu tief eingetaucht war und dadurch meine kritische Distanz beim Lesen verloren hatte. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass dieser Text, der lebendig atmete, der eine enorme Spannung und Rhythmus besaß, einen ganz spezifischen eigenen Ton – dass dieser Text übersetzt sein sollte. Ich hatte auf eine seltsame Weise gleichermaßen das Gefühl, es sei Eveline Passet, die hier zu mir spricht, wie ich das Buch auch als direkten Ausdruck des Autors las.

Woran das lag? Ganz einfach: An der Übersetzerin Eveline Passet. Erst wenn sie eine Beschreibung oder eine Argumentation in einem fremdsprachigen Text so gründlich erforscht und so vollständig durchdacht hat, dass sie sie sich praktisch angeeignet und zu ihrer eigenen gemacht hat, erst dann gibt sie den Text in ihrer Sprache auf Deutsch wieder. Das eigentlich immer ein wenig vergiftete Lob, man würde bei der Lektüre eines übersetzten Buches gar nicht mehr merken, dass dieses Buch nicht auf Deutsch geschrieben wurde, bekommt bei Eveline Passet einen völlig unvergifteten Sinn. Die Übersetzung gewinnt in ihrer Sprache eine Schlüssig-, ja eine Folgerichtigkeit, die gelesen werden kann, als sei sie ursprünglicher Ausdruck eines Sprechers. Die Gedanken wirken wie eben gedacht, die Beschreibungen wie eben gesehen und niedergeschrieben. Das ist jedoch nicht Ergebnis einer Inbesitznahme des Textes, also einer Enteignung des Autors durch die Übersetzerin, sondern es ist im Gegenteil Resultat einer empathischen Durchdringung, eines zugeneigten Begreifenwollens, eines Wörtlich- und Ernstnehmens, das dem Text allen Respekt zukommen lässt, den er verdient. Vielleicht ist es auch gar nicht richtig ausgedrückt, dass ich Eveline Passet sprechen höre in ihren Übersetzungen. Wahrscheinlich ist es vielmehr so, dass ich das Gefühl habe, den Text mit ihr gemeinsam zu lesen. Es ist also eher eine Art von Komplizenschaft. Ich fühle Eveline Passet neben mir sitzen, die Lektüre ihrer Übersetzung ist die gemeinsame Lektüre eines fremden Textes.

In einem kurzen filmischen Porträt, das zur Verleihung des Übersetzerpreises des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft entstand, sagt Eveline Passet, mit der Übersetzung lasse sie sich auf »ein fremdes Land, eine fremde Stimme, ein fremdes Jahrhundert« ein. Dorthin, so die Fortführung ihres Gedankens, könne sie reisen und dort finde sie Geborgenheit. Um sich dem Autor anzunähern, müsse sie sich von sich selbst entfernen.

Es schafft also Geborgenheit, wenn man dem Autor näherkommt und sich vom eigenen Leben entfernt. Wenn man dort, beim Autor, etwas auffindet, das tragfähig genug ist, ein Zuhause zu bieten. Die Leser finden in jedem Fall eine Geborgenheit in Eveline Passets Übersetzungen, weil ihre Sprache eine Bestimmtheit vermittelt, eine Überzeugungskraft und Sicherheit. Man schenkt ihr – der Sprache wie auch der Übersetzerin – Vertrauen, man kann sich beiden – Sprache und Übersetzerin – überlassen.

* * *

Michail Prischwin ist kein Autor, bei dem es leicht fällt, ihn ins Herz zu schließen, bei dem man sich schnell geborgen fühlen kann. Doch als ich mich das erste Mal nach meiner Verlagsgründung mit Eveline Passet traf – weil ich unbedingt an unsere für mich so wichtige Zusammenarbeit anschließen wollte und weil sie auf meiner Wunschübersetzerliste ganz oben stand –, reagierte sie auf die Nennung des Namens Michail Prischwin sofort wie elektrisiert. In meiner – ich gebe offen zu: verkürzten, mythisierten und ganz bestimmt zweifelhaften – Erinnerung spielte es sich folgendermaßen ab: Wir saßen uns bei einem Kaffee gegenüber, sprachen eigentlich über einen anderen schwierigen russischen Autor, den ich gerne in mein Verlagsprogramm aufnehmen wollte, und ich spürte, dass Eveline Passet zwar aufmerksam und zugewandt zuhörte, aber nicht überzeugt, geschweige denn entzündet war. Es gebe da aber noch einen weiteren Autor, der mich interessierte, setzte ich an. Sie wollte hören, welchen. »Michail Prischwin …« – sagte ich vorsichtig – »Die Tagebücher!« – rief sie fast reflexartig aus. Die Tagebücher Prischwins zu übersetzen, stellte sich daraufhin heraus, war ihr ein großes, bisher aber undurchführbar erscheinendes Wunschprojekt, das sie seit ihrer ersten Lektüre der russischen Ausgabe mit sich herumgetragen hatte – im Hinterkopf, im Herzen oder der Seele, wo man solche Wunschprojekte eben mit sich herumträgt –, ohne auf eine tatsächliche Umsetzung zu hoffen. Nun bestand wenig Grund zu weiterer Zurückhaltung. Genau eine solche Begeisterung, ein solcher überzeugter Drang ist das, was ich bei Übersetzern für ein gemeinsames Projekt suche. Das Arbeitsbündnis war geschmiedet.

Zuerst mündete es in »Der irdische Kelch«, einer povest’, einer Langerzählung, die Prischwin zu Lebzeiten nie veröffentlichen konnte. »Der irdische Kelch« ist eine ins Kenntliche verzerrte Realgroteske über die Auswirkungen der Russischen Revolution und des Bürgerkriegs, 1922 geschrieben, inmitten von Hunger, politischer Unklarheit, Orientierungslosigkeit. Prischwin lässt die Landbevölkerung zu Wort kommen, dann einen Lehrer Alpatow, ein ziemlich leicht entschlüsselbares Alter Ego des Autors, und immer wieder die grandiose unbezwingbare russische Natur. Ein Werk, lustvoll hintergründig, übervoll an Verweisen, in einer überwältigend souveränen, alles erfassen könnenden, poetischen Sprache, trotz aller Schrecken und Beschädigungen, die geschildert werden. Es war die überraschende Neujustierung eines vielfach abgetanen Autors, der in den DDR-Übersetzungen mit dem Etikett Kinderbuchautor und dem Beinamen »Sänger der Natur« versehen worden war und nun in den Büchervitrinen der Staubwerdung entgegendämmerte.

Schon damals war Eveline Passet und mir aber klar: Das Eigentliche, an das wir uns als nächstes heranwagen müssen, das Eigentliche sind die Tagebücher. Seit 1991 erscheinen sie in Russland, 18 Bände, die Edition ist soeben 2017 abgeschlossen – ein gigantisches Werk. Das in Gänze zu übersetzen, ist niemandem, weder der Übersetzerin Eveline Passet, noch dem Verlag, noch den deutschen Lesern, zuzumuten. Und trotzdem: Schnell war der Plan entworfen, die 49 Jahre umfassenden Aufzeichnungen – von 1905 bis 1954, inklusive dreier russischer Revolutionen, dem Großen Terror, dem Zweiten Weltkrieg, dem ersten Jahr nach Stalins Tod – auf vier Bände zu komprimieren. Der erste Band, der 2018 erscheinen soll, wird die Revolution 1917 und die ihr unmittelbar folgenden Jahre bis in die frühen 1920er-Jahre umfassen. »Trotzdem«– das scheint die immer wiederkehrende Leitvokabel dieses großen (eigentlich zu großen) Projekts zu sein.

Diese Übersetzung ist eine Herausforderung in jeglicher Hinsicht. Eine herausfordernde Lektüre, da Prischwin alles andere als ein gefälliger Autor ist. Er ist unbequem, weil er bei sich keine Denkschranken zulässt, weil er in seinen Tagebüchern aus Sicht unserer heutigen politischen Kategorien schwankend, positiv ausgedrückt: unabhängig ist. Herausfordernd ist auch allein der Umfang der Lektüre – im Original sind es 13.000 eng bedruckte Seiten, 18 Bände. Eveline Passets ganzes Können, ihre Geduld, ihre denkerische Schärfe und ihre bohrende Genauigkeit als Leserin wie auch als Übersetzerin werden dafür erforderlich sein. Sie wird ihre gewöhnlichen Arbeitsstrukturen verlassen müssen, weil sie zusätzlich zur Übersetzung auch die Herausgabe der Edition übernehmen wird.

Prischwin selbst hat seine Tagebücher als Hauptwerk bezeichnet. Die festgehaltenen Gedanken und Beobachtungen sind von einer Prägnanz und Eindrücklichkeit, wie sie nur aus der literarischen Gestaltung entstehen kann, aus der präzisen, bewussten Aussparung und Raffung. Es sind Konzentrate, die bei der Lektüre aufgehen, sich öffnen und ihre Wirkung entfalten. Prischwins Tagebücher sind, so sagt Eveline Passet, gleichzeitig Zeitchronik und Zeitroman.

»Mir ist angesichts meines begrenzten Wahrnehmungshorizonts klar geworden, dass ich nichts Legales mehr in Russland schreiben werde«, notiert Prischwin im September 1922 in seinem Tagebuch. Eine tieftraurige Erkenntnis, die dazu führt, dass er das Tagebuchschreiben auch vor seiner Frau geheimhält und es selbst vor seinem engsten Umfeld schützt. Schon 1918 hat er im Dezember geschrieben: »unter Freiheit verstehe ich die Möglichkeit, bei sich zu bleiben«. »Bei sich« meint auch »für sich« – es ist die umstrittene »innere Emigration«, die Prischwin fortan wählt, in seinen letzten Lebensjahren zieht er sich (nicht zum ersten Mal im Übrigen) auch räumlich an die Peripherie zurück, nach Dunino, ein gutes Stück von Moskau entfernt, in ein Holzhaus mit Veranda und großem Garten. Thomas Mann wird die Inneren Emigranten in Deutschland später als »Ofenhocker des Unglücks« bezeichnen.

Prischwin ist in seinem Tagebuch sich selbst so nah, wie nirgendwo und niemals sonst. Das führt – neben einem geradezu seismografischen Erfassen der politischen Bewegungen und Ausschläge und deren Auswirkungen auf die russische Bevölkerung und auch auf sich selbst – zu einer erschütternd genauen und ehrlichen Selbstbeobachtung. In einer außergewöhnlichen Passage am 13. Mai 1930 können wir lesen: »Seit der Früh verziehen sich nach und nach die Regenwolken, und seit acht steigt ein sonnig-feuchter Tag auf. […] An diesem prächtigen Tag spürte ich, wie schon oft zuvor, das unzerreißbare gemeinschaftliche Band zwischen der Natur und mir, worauf ich auch blickte – alles war mir irgendwie bekannt, ich fand in meiner Innenwelt die vollkommene Entsprechung, sodass zuletzt die gesamte sogenannte äußere Welt mit den Pflanzen und dem Himmel, dem Wasser und den Tieren gänzlich wurde, was auch ich bin. Der ganze Unterschied zwischen dieser äußeren Welt und meiner inneren: dass ich durch mein Ich alles in mir vereint habe, was aber keine Verbindung durch dieses Ich erfuhr, was als Welt gänzlich ungebunden lebte, wie im Märchen ohne Zeit und Raum:  Es war einmal in einem Reich … Dieser so kunstvolle Zauberfaden schien mir eine Gabe der anderen Welt zu sein, und [1 unleserl.] ich bin der Künstler, ich bin der Bewohner jener Welt.

Da zeigte sich, dass das Ich das Weltbewusstsein war. Und plötzlich wendete sich alles. So dachte ich: Was aber, wenn dieses Recht auf ein Ich bloß unsere Torheit ist, was, wenn auch die da alle, jeder auf seine Weise, sich hinstellen wie ich und vielleicht dunkel, vielleicht ja aber sogar klarer als wir die Welt ebenfalls durch ihr Ich empfinden?«

Auch wenn das als Banalität erscheint, zumal im Rahmen einer solchen Preisverleihung, bei der die Übersetzung im Mittelpunkt steht, kann nicht oft genug betont und richtiggestellt werden: Das, was ich hier eben vorgelesen habe, hat Prischwin natürlich genau so nie geschrieben. Michail Prischwin hat diese brillanten Reflexionen und Gedanken zwar gefasst und auch festgehalten, aber das von mir Zitierte sind Formulierungen von Eveline Passet, es ist ihre Sprache, es sind ihre Worte. Ich als Russisch nicht Lesender, aber dennoch die russische Literatur Lesenwollender, ich bin in diesem Fall auf Eveline Passet angewiesen. Man sei, sagt sie in dem schon erwähnten Kurzfilm, als Übersetzer »der erste Leser, und zugleich auch der erste Interpret« eines Autors und seines Textes. Und man ermöglicht mit seiner Übersetzung dem Autor und seinem Text, in einer anderen Sprache gelesen zu werden.

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Eveline Passet ist eine von wenigen Übersetzerinnen, die ich kenne, die ihre Arbeit und die Zwischenstufen der Übersetzungsarbeit nicht versteckt, sondern ganz im Gegenteil die verschiedenen Entstehungsstufen ihrer Übersetzungen sichtbar macht. Schon bald nach einem ersten Durchgang bekomme ich als Verleger und Lektor ihre Rohübersetzung. Zumindest sie nennt es roh, in meinen Augen ist es bereits eine ziemlich weit fortgeschrittene, reife Übersetzung. Ab diesem Zeitpunkt begleitet man ihre weiteren Arbeitsschritte, Eveline Passet fordert die Mitarbeit, das Mitlesen ein, nicht nur von mir als Lektor, auch von Raimund Petschner, ihrem Mann. Wir sind als kritische Leser gefordert. Jede Überarbeitungsrunde, die nun folgt, in der die Wortwahl und auch einzelne grundsätzliche Übersetzungsentscheidungen diskutiert werden, in der Formulierungen und Konstruktionen erläutert und infrage gestellt werden, erhöht die Dichte des Textes, macht ihn intensiver, treffender, presst ihn weiter zusammen.

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Als Übersetzerin Michail Prischwins ins Deutsche hat Eveline Passet gut zwanzig Vorgänger. Die Namen reichen von dem entdeckungsfreudigen, höchst produktiven Alexander Eliasberg, Prischwins erstem deutschen Übersetzer, über Käthe Rosenberg (der Cousine von Thomas Manns Frau Katja Pringsheim), Hartmut Herboth (der Aitmatows »Dshamilja« erstübersetzt hat), Manfred von Busch und zuletzt der immer zu rühmenden Ilma Rakusa, die Ende der 1980er-Jahre die erste Neulektüre des politisch bewussten Prischwin unternommen hat. Eveline Passet interessiert sich für diese Vorgänger, sie forscht zu ihnen, geht Spuren nach, untersucht die Rezeption und die Zusammenhänge der einzelnen Übersetzungsprojekte und das Schicksal der publizierten Bücher. Dahinter steckt nicht nur ein Interesse für die weiteren Zusammenhänge und die historischen Umstände der jeweiligen Übersetzungen in ihrer Zeit. Dahinter steckt auch ein Bewusstsein für die Relevanz und für die Leistungen der eigenen Übersetzerzunft – als Hintergrund bleibt all das nicht ohne Einfluss auf ihre eigenen Übersetzungen.

Nun wird Eveline Passet mit dem Zuger Übersetzer-Stipendium ausgezeichnet. Für ein Projekt, das nicht nur bloße Übersetzung ist, sondern auch eine Herausgebertätigkeit umfasst. Die Tagebücher Prischwins müssen aus 18 russischen auf 4 deutsche Bände sinnvoll reduziert werden. Mit der Vergabe des Stipendiums wird nicht nur die zweifellos außerordentliche Übersetzungsleistung Eveline Passets prämiert und unterstützt, sondern auch ihre weiterreichenden Kompetenzen, die sie als Übersetzerin gewonnen hat und die weit mehr betreffen als nur die Beherrschung der Ausgangs- und der Zielsprache. Es ist eine Auszeichnung, die wegweisend auch zeigt, dass Übersetzerinnen nicht lediglich Dienstleisterinnen, sondern dass sie Expertinnen sind. Es ist eine Ermutigung an die gesamte Übersetzerzunft. Warum bloß Vorgesetztes übersetzen? Warum bloß nach dem Bestverkäuflichen schielen? Gerade Übersetzer mit Erfahrung, mit Wissen und Fähigkeiten, die über die Übertragung eines Textes aus der einen in die andere Sprache hinausgehen, sollte das Zuger Übersetzer-Stipendium ermutigen, nicht allzu voreilig die Gedanken und Pläne für ein finanziell und auch zeitlich waghalsiges Projekt vergleichbar mit den Prischwinschen Tagebüchern aufzugeben.

Der große Lektor – und auch Übersetzer – Walter Boehlich hat eine Anekdote eines dänischen Literaturwissenschaftlers überliefert, die sich 1948 auf einem Internationalen Philosophenkongress in Italien zugetragen haben soll. Dort stellte sich  in einem Gespräch unter Kollegen zwischen den Vorträgen heraus, dass er aus Dänemark stammt. Daraufhin rief ein französischer Kollege mit einem Stoßseufzer aus: »Monsieur ist Däne! Sie Glücklicher!« – und zu den anderen gewandt: »Monsieur ist Däne! Er kann Kierkegaards Werke im Original lesen und er kann alle nachgelassenen Papiere Kierkegaards lesen, wo wir uns mit Auszügen begnügen müssen!«

So rufe ich zu Eveline Passet: Madame kann Russisch! Sie Glückliche! Madame kann das gesamte Tagebuch Prischwins lesen, wo wir uns mit den Auszügen begnügen müssen, die sie für uns ausgewählt und übersetzt hat!

»Glücklich werden unsere Erben sein, die unsere Zeit nur lesen werden«, notierte Michail Prischwin in der ihm eigenen Mischung aus Melancholie und Nachlebenbewusstsein im Juli 1930 in seinem Tagebuch. Glücklich schätzen können sich auch diejenigen, die davon in der Übersetzung von Eveline Passet lesen werden. Liebe Eveline Passet, ich gratuliere aus vollem Herzen zu dem großartigen, verdienten Zuger Übersetzer-Stipendium 2017.