Übersetzerbarke an Gabriela Stöckli

(Hier folgt die ungekürzte Fassung der Laudatio, die in Übersetzen Heft 1/2025 in gekürzter Version abgedruckt ist)

Verleihung der „Übersetzerbarke“ des VdÜ an Gabriela Stöckli, Frankfurter Buchmesse, 16.10.2024, 16:45 Uhr, Zentrum Wort

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Gabriela Stöckli!

Der VdÜ, der Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke, vergibt die Übersetzerbarke in diesem Jahr zum 19. Mal.

2004 wurde die erste Barke verliehen, 2020 fiel die Verleihung aus, so kommen wir auf 19 Barken in 20 Jahren. Ausgezeichnet werden mit der „Übersetzerbarke“ Personen und Institutionen, die sich um die Sache der Literaturübersetzer·innen besonders verdient machen.

Die unabhängige Barken-Jury des VdÜ, bestehend aus Karin Uttendörfer, Friederike von Criegern und Bettina Bach, hat in diesem Jahr dem Vorstand Gabriela Stöckli als Preisträgerin vorgeschlagen, und das mit folgender Begründung:

2024 geht die Übersetzerbarke des VdÜ an die Literaturwissenschaftlerin und Leiterin des Übersetzerhauses Looren Gabriela Stöckli für ihre Verdienste um die Wertschätzung des literarischen Übersetzens in der Öffentlichkeit.

In ihrer Funktion und im Ehrenamt setzt sie sich für die Professionalisierung des Übersetzer·innenberufs ein. Sie engagiert sich für eine verstärkte öffentliche Wahrnehmung der Zunft, insbesondere in den vier Sprachregionen der Schweiz, und unterstützt den internationalen Austausch von Übersetzenden mit viel persönlichem Einsatz.

Seit der Gründung im Jahr 2005 leitet Gabriela Stöckli das Übersetzerhaus Looren. Mit Erfindungsgeist und einem Engagement, das weit über die Routine hinausgeht, setzt sie sich für die Belange der dort Residierenden ein. „Wir verschreiben uns mit Haut und Haaren den Übersetzer·innen“, ist das dortige Credo. Im Lauf der Jahre hat sie ein Team von Expert·innen aufgebaut, die mit ihrem Fachwissen und mit ihren Persönlichkeiten den Betrieb ebenso stark prägen. Neben den zahlreichen Workshops und Seminaren, die im Übersetzerhaus Looren stattfinden, werden auch durch beträchtliche, vom Haus selbst verliehene Stipendien Übersetzer·innen gefördert.

Das umfangreiche Veranstaltungsprogramm gibt den Übersetzer·innen das Wort, um ihre Kunst dem literaturaffinen Publikum vorzustellen. Des Weiteren hat Gabriela Stöckli in Europa und weltweit Partnerprojekte angeregt, etwa „Looren America Latina“ und „Laboratorio Italiano“, und sie bringt ihre Expertise seit 2019 als Mitglied im Beirat der VdÜ-Verbandszeitschrift „Übersetzen“ ein.

Zusammen mit dem CTL Lausanne rief das Übersetzerhaus Looren ein Nachwuchsprogramm ins Leben, das Berufseinsteiger·innen mit Praxiswissen versorgt und Erstübersetzungen fördert. Unter anderem dafür wurde Gabriela Stöckli 2019 gemeinsam mit Irene Weber Henking vom Centre de traduction littéraire de Lausanne im Rahmen der Schweizer Literaturpreise mit dem „Spezialpreis Vermittlung“ ausgezeichnet. Im Übersetzerhaus Looren schaffen Gabriela Stöckli und ihr Team eine Atmosphäre des angeregten Austauschs, der Hilfsbereitschaft und des entspannten Zusammenlebens, und sie vernetzen die Übersetzer·innen mit Personen des lokalen Literaturbetriebs. Dank dieser Umsicht ist das Übersetzerhaus ein überaus beliebter Ort für Übersetzer·innen aus aller Welt.

Wir wollen Gabriela Stöckli nun im Namen der Übersetzerschaft mit der Barke für ihr langjähriges, inspirierendes und wirkungsvolles Engagement danken.

Das Barken-Kunstwerk 2024 ist ein Gemälde der Augsburger Malerin und Musikerin Ursula Allgäuer.

Betrachten wir einmal die Barke als Bild, als Metapher, so setzt diese sprachliche Kunstwerke von einer Sprache in die andere über. Das Bild ist beliebt und vermittelt den Eindruck von beschaulichem Schippern. Allerdings stehen derzeit beim Übersetzen die Zeichen auf Sturm. Denn die Märkte für Übersetzungen schrumpfen – die Menschen lesen weniger Bücher –, und sie sind stark asymmetrisch, also die Märkte, nicht die Menschen. Wir verhandeln unsere Heuer als Einzelpersonen mit oftmals großen Schiffen, die auf uns als Einzelne nicht angewiesen sind, wir auf sie aber schon. Und falls wir dabei ins Wasser fallen, können wir auf Rettung nur hoffen. Die Budgets der Kulturfonds, in unserem Fall das Budget des Deutschen Übersetzerfonds, der uns zum Glück immer wieder mal einen Rettungsring zuwirft, drohen für das nächste Haushaltsjahr um ein Drittel gekürzt werden. Wir Solo-Selbstständigen, die wir schon jetzt ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, können das nicht kompensieren. Dem prekären Berufsstand drohen Abwanderung und weiter wachsende Armut. Für die Qualität und Vielfalt der internationalen Literatur in deutschsprachiger Übersetzung wäre das fatal. Gerade haben über 60 Manga- und LightNovel-Übersetzer·innen einen offenen Brief an ihre Auftraggeber geschrieben und erklärt, dass sie zu den derzeitigen Bedingungen nicht weitermachen können. Und oft sind es gerade die großen Häuser, die ihre Marktmacht rigoros ausnutzen. Ich denke da unter anderem an Bastei-Lübbe, gegen dessen Honorierungsmodell wir im September vor und in der Hauptversammlung des Konzerns protestiert haben – „Hoch die Honorare!“ –, während kleinere Verlage, denen es größtenteils selbst gerade schlecht ergeht, mit uns solidarischer sind.

Ein Vorbild im solidarischen Einsatz für andere ist Gabriela Stöckli, unsere Ausgezeichnete, die wir heute feiern und ehren. Unter anderem mit einem „beau présent“, einem – wortwörtlich – „schönen Geschenk“.

Das „beau présent“ ist eine Gedichtform aus dem französischen OULIPO, dem Ouvroir de littérature potentielle, und besteht nur aus Buchstaben, die im Namen der beschenkten Person enthalten sind. Bei Gabriela Stöckli sind das folgende:

a – b – c – e – i – k – l – g – ö – r – s – t

Gabi, gesalbte

Berge, See, Abtei bei Berg, Abtei bei See, Blick, a-a-a

Gabi ist agil

Gabi liest

Gabi liebt belles lettres

Gabi billigt Abc-Bastler

Gabi labt Abc-Bastler

Gabi gibt Kies, a-a-a

Gabi skaliert Backlist

Gabi ackert, Gabi strickt Artikel

a-a-a, Beirat liebt Lesart

Beirat liebt Stil

Beirat liebt Gabi

Gabi arbeitet, Gabi ist Tiger, ist Stier

Gebiert Erlös, gebiert Silber,

Gabi bietet stabile Abc-Bastler-Bastei

Gabi bietet Rast, a-a-a

Gabi kriegt Abc-Bastler-Liebe

Gabi kriegt Cake, Sekt, Éclair, Baiser, Likörtörtli

 

Gabi kriegt Barke!